Beten und Singen

Gottesdienst und Gebetsverpflichtung

»Inbrünstig, mit ganzer Anstrengung des Geistes und des Körpers« (tota mentis et corporis intentione instanter) sollten die Kanonissen Gott dienen sowie für das Seelenheil der Herrscher- und der Stifterfamilie beten. Im Dienst an Gott und im Gebet bestand die Hauptaufgabe der Gemeinschaft. Darin fand sie ihre Identität und ihre Legitimation.

Lektionar Dessau, Anhaltische Landesbücherei, Wissenschaftliche Bibliothek und Sondersammlungen, Bruchstück 4, fol. 2 r

 

Daher war der Tagesablauf der Sanktimonialen durch Gebetsstunden bestimmt und weitgehend ausgefüllt. Im Stundengebet wurden Psalmen und Auszüge aus dem Alten und Neuen Testament gelesen, sowie Hymnen, Fürbitten und Antiphonen gesungen.

Für den Gottesdienst wurden diese Lesungen und Gesänge in Büchern aufgeschrieben. In den Lektionaren und Antiphonaren war die zeitliche Abfolge der Texte und Gesänge festgelegt. Seit dem 11. Jahrhundert wurden die verschiedenen liturgischen Bücher in einem Brevier zusammengefasst.

In Gernrode wurden Bücher für den Gottesdienst mit dem liturgischen Gerät, dem Stiftsarchiv und dem Vermögen in der Sakristei aufbewahrt. Dieser sogenannte Zither befand sich auf der nördlichen Querhausempore. Ein ähnlicher Raum ist in der Stiftskirche zu Quedlinburg erhalten.

Eine Inventarliste von 1530 nennt eine Reihe liturgischer Handschriften. Demnach war das Stift gut ausgestattet. Überliefert sind Reste eines Lektionars und eines Antiphonars, das Vigilienbuch (um 1450), ein Brevier (1482 – 1487) und ein Prozessionale (1502).

Inventarliste von 1530. Aus: Pfarrchronik des 16. Jahrhunderts für die Ortschaften der jetzigen Ephorie Ballenstedt (Manuskript, o. J., um 1903) von Friedrich W. Schubart, S. 47f.

1) Handtücher für die Waschung nach dem Opfer
2) Beichttücher
3) Grüngeblümt
4) Für Weihrauch
5) Weihrauchfass

 

 

 

 

Die liturgischen Bücher wurden von den Kanonikern genutzt, die die gottesdienstlichen Handlungen vollzogen. Die Kanonissen hielten sich während des Gottesdienstes räumlich getrennt von den Kanonikern und der

Gemeinde auf. Wo sie in der Anfangszeit des Stifts Platz nahmen, wissen wir nicht. Nach dem Umbau der Kirche im 12. Jahrhundert saßen sie auf der südlichen Querhausempore. Von dort ließen sie täglich ihre Gebete und Gesänge erklingen.

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