Feiern und Verehren

Kirchenfest und Heiligenkult

 

Neben den alltäglichen Gebetsverpflichtungen nahmen die Messen an hohen kirchlichen Feiertagen, an den Heiligentagen der Stiftspatrone und an den Todestagen der Angehörigen der Stifterfamilie breiten Raum im Leben der Kanonissen ein.

Am frühen Morgen des Ostersonntags, dem höchsten christlichen Feiertag, wurde in Gernrode die Auferstehung Christi szenisch dargestellt. In dieses Osterspiel wurde auch das Heilige Grab einbezogen. Der Ablauf des Ostermorgens ist in einem Prozessionale beschrieben, das 1502 zcu gernrode in der kusterie angefertigt wurde.

Item in der heyligen oster-nacht, wan man hat vmbgecloppet vnd dy hern vorsammelt synt vff sancti Ciriaci chor, ßo gheen dy hern erst von dem kore in daß heylige grapp, dy frouwichen folgen den hern vor sancte Johannes altar, dar bliben sy bestehen, wen daß dy hern daß crucze haben vffgenommen vnd vß dem grabe gheen, so tragen sy daß crucze vor den selemessen-altar vnd singen: Cum rex glorie Drye frouwichenn, dy Margen gehen, dy folgen den hern negest, dy synt bewümpelt vnde haben rote crucze vff den wümpelnn, bernende lichte in den henden ...

"Regieanweisung" für das Osterspiel. Aus: Prozessionale aus Gernrode. Berlin, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, Mus. 40081, fol. 241 v -242 r

 

Bei ihrer Gründung wurde die Stiftskirche Maria und Petrus geweiht. Als Schutzheilige des Stiftes kamen später der hl. Cyriakus und der hl. Metro hinzu. Markgraf Gero brachte von seinen Romreisen den Armknochen des hl. Cyriakus und Knochenteile des hl. Metro nach Gernrode mit.

Durch diese Reliquien wurde die Gegenwart der Heiligen für die Gläubigen real erfahrbar. Als Aufbewahrungsort der Überreste des hl. Cyriakus in Gernrode gilt ein Heiligengrab (confessio) in der Ostkrypta der Stiftskirche.

Confessio in der Ostkrypta der Stiftskirche. Aufnahme: Clemens Kosch, Paderborn

Die Reliquien wurden während der Reformation entfernt. Der Märtyrer Cyriakus wurde als Bezwinger des Teufels verehrt. Schon in den ersten Jahrzehnten des 11. Jahrhunderts ist an seinem Todestag, dem 16. März, ein großes Fest gefeiert worden. Dieser Termin und der Tag der Überführung seiner Reliquien (8.August) sind im Vigilienbuch als Feiertage vermerkt. Um die Verehrung zu fördern, ließ die erste Äbtissin Hathui von einem Geistlichen namens Nadda eine Vita (Leben, Lebenslauf) des hl. Cyriakus schreiben.

 

Offizium zum Adventus reliquiarum sancti Metroni, Breviarium Halberstadiense. Dessau, Anhaltische Landesbücherei, Wissenschaftliche Bibliothek und Sondersammlungen, BB 2541, fol. 41 v

 

Die Reliquien des hl. Metro wurden in Verona gestohlen und nach Gernrode gebracht. Der Kult des Heiligen konzentriert sich ausschließlich auf Verona und Gernrode. Am 23.August wurde in Gernrode die Weihe seines Altares gefeiert, der im Westchor stand. Das Fest ist sowohl im Vigilienbuch als auch per Hand in dem 1482 gedruckten Halberstädter Brevier (Breviarium Halberstadiense) eingetragen. Weitere handschriftliche Ergänzungen zeigen, dass das Brevier 1487 für die Nutzung im Stift Gernrode eingerichtet worden ist. In seinem Kalendar ist auch die Ankunft der Metro-Reliquien im Stift Gernrode (19. Januar) vermerkt. Das Brevier enthält das einzige, mit allen Gesängen, Fürbitten und Gebeten vollständig überlieferte Offizium für den Heiligen und eine Kurzvita des hl. Metro in sechs Lektionen.

 

 

>Aduentus reliquiarum sancti Metroni to der V(espera)s An(tiphona)< Sancte Metrone confessor Domini preciose adesto nostris precibus pius ac pro-picius! >Ps(almus). Alle(luia). Laudate. Capit(ulum)< Cogno-uit eum Dominus. >Respons(um)< Gracias tibi, rex regum, qui per graciam tuam hunc nobis donasti patronum. O sacer Metrone nos pusillum gregem tuum sub tegmine ala-rum tuarum conserua! >V(ersus)< Quos hostis in mundis (!) caro deprimit vt graue pon-dus sub tegmine… >Impnus< Iste confessor. >V(ersu)s< Ecce sacerdos >vppe M(a)g(nifica)t An(tiphona)< A proge-nie in progenies fecit misericordiam Do-minus, qui eduxit Abraham de Hur Cal-deorum (!), et de vltimis finibus terre < ... >

» >Ankunft der Reliquien des heiligen Metro. Zur Vesper: Antiphon< Heiliger Metro, kostbarer Bekenner Gottes, wohne unseren Fürbitten gütig und gnädig bei! >Psalm.Alleluia. Laudate. Capitulum< Cognouit eum Dominus. >Responsum< Dank sei dir, König der Könige, der du durch deine Gnade uns diesen Patron geschenkt hast. Oh, heiliger Metro, bewahre uns, deine demütigste Schar, unter dem Schutz deiner Flügel! >Vers< Die, die der sündhafte Teufel als Fleisch niederdrückt wie ein schweres Gewicht, (bewahre) unter dem Schutz (deiner Flügel)! >Hymnus< Iste confessor. >Vers< Ecce … >Auf das Magnificat folgt die Antiphon< Schon immer hat der Herr Barmherzigkeit bewiesen, der Abraham aus Ur, der Stadt der Chaldäer, herausgeführt hat, und aus dem entferntesten Land der Erde ...«

 

Kalendar des Breviarium Halberstadiense. Dessau, Anhaltische Landesbücherei, Wissenschaftliche Bibliothek und Sondersammlungen, BB 2541, fol. 170 r

 

Auf der Januar-Seite des Kalendars ist für den 19. Januar am rechten Rand handschriftlich die Ankunft der Reliquien des hl. Metro in Gernrode eingetragen: Adventus sancti Metroni. Vermutlich traf Markgraf Gero im Dezember 961 auf dem Rückweg aus Rom in Oberitalien auf Otto I. und sein Gefolge. Es könnte sein, dass er der Einsetzung Bischof Rathers in Verona beiwohnte und dass ihm als treuem Gefolgsmann Ottos I. die Reliquien des hl. Metro von Rather übergeben wurden. Gero setzte seinen Weg in die Heimat fort und als der Diebstahl am 27. Januar 962 in Verona entdeckt wurde, befanden sich die Gebeine des Heiligen längst in Gernrode.

 

 

Hl. Cyriakus und hl. Metro auf der Gero-Tumba (1519). Foto: Wolfgang Fischer, Quedlinburg

Der Legende nach hat Metro sich selbst an einem Stein vor der Kirche San Vitale in Verona festgekettet, um für seine Sünden zu büßen. Den Schlüssel warf er in den Fluss Etsch. Als der Schlüssel nach sieben Jahren in dem Bauch eines Fisches wiedergefunden wurde, waren seine Sünden vergeben.

Diese Details finden sich in Gernrode auf der Gero-Tumba wieder. Dort ist neben dem hl. Cyriakus mit einem kleinen Teufelchen an der Kette der hl. Metro mit Fußfessel, Fisch und Schlüssel dargestellt.

 

Ausschnitt: Der hl. Metro. (Der Schlüssel befindet sich im Maul des Fisches.)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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