Essen und Kleiden

Askese oder Luxus?

Die Bestimmungen der Institutio sanctimonialium berücksichtigten die tägliche Versorgung der Stiftsdamen. Die Speiserationen wurden dort ebenso detailliert wie großzügig festgelegt. Jede Sanktimoniale hatte Anspruch auf eine vielseitige Ernährung, indem ihr die Vorschriften Fleisch, Fisch und Gemüse zusicherten.

Brot und Wein wurden jeder Stiftsdame mit genauen Maßangaben garantiert. Bei der Bemessung des Weins ging die Institutio sanctimonialium auf regionale und klimatische Unterschiede ein, um die konkrete Einhaltung ihrer Regelungen auch in Gegenden ohne Weinanbau sicherzustellen.

Aus dem Kapitel XIII der Institutio sanctimonialium Würzburg, Universitätsbibliothek, M. p. th. q. 25, fol. 42 v /43 r

 

 

 

 

 

 

 

... ut in omnibus monasteriis puellaribus, in quibus canonice vivitur, singulae sanctimoniales per dies singulos tres libras panis accipiant et in his regioni-bus, quae vinifere sunt, tres libras vini, si sterilitas temporis non inpedierit, si autem plene eadem regio vini ferax non fuerit, duas libras vini et duas cervi-sae et, si minime vini ferax fuerit, tres libras cervisae et, si facultas permiserit, libram vini. In locis vero minoribus accipiant duas libras vini et, si eadem regio, ut praemissum est, vini ferax non fuerit, duas libras cervisae et, si facultas suppetit, libram vini.

»... dass in allen Frauenstiften, in denen nach kanonischer Regel gelebt wird, jede Sanktimoniale pro Tag drei Pfund Brot empfangen soll und in den Regionen, in denen Wein angebaut wird, drei Pfund Wein, wenn es die schlechte Witterung nicht verhindert; falls aber eine Region nur wenig Wein produziert, zwei Pfund Wein und zwei [Pfund] Bier; falls sie überhaupt keinen Wein anbaut, drei Pfund Bier und ein Pfund Wein, wenn es der Vorrat erlaubt. An kleineren Orten mögen sie zwei Pfund Wein empfangen und, falls die gewisse Region, wie gesagt wurde, nicht fruchtbar an Wein ist, zwei Pfund Bier und ein Pfund Wein, wenn es die Vorräte erlauben.«

 

Drei Pfund Brot in karolingischem Normalmaß wögen heute etwa 1,2 Kilogramm. Die Mengenangaben könnten vielleicht übermäßig wirken, doch sollte sich jede Sanktimoniale die Ration mit ihren persönlichen Dienerinnen (famulae) teilen.

Auch in Gernrode und Frose wurde den Stiftsdamen eine Ernährung mit Fleisch und Käse von Kaiser Otto II. urkundlich zugesagt.

Et sicut ab antecessoribus nostris eis est constitu-tum, sic concedimus et firmiter stabilimus, ut ... , carnibus et caseis et ceteris alimentis vescantur...

»Und genauso wie von unseren Vorgängern her festgelegt wurde, so gestatten wir [Otto II.] und sichern es fest zu, dass sie [die Sanktimonialen] ... von Fleisch und Käse und weiteren Nahrungs-mitteln leben sollen ...«

Urkunde Ottos II. für Frose von 961, Kopie des 14. Jh. Oranienbaum,Anhaltisches Gesamtarchiv, Urkunden 1 Nr. 8

Mit den luxuriösen Zuteilungen wurde den Sanktimonialen eine privilegierte soziale Stellung innerhalb der Stiftsmauern eingeräumt. Damit brauchten die Stiftsdamen adeliger Herkunft auch bei den Essgewohnheiten ihren früheren Lebensstil nicht abzulegen.

Den Idealen einer asketischen Lebensführung entsprach die gesicherte standesgemäße Versorgung allerdings nicht. Zwar verherrlichten die ersten Kapitel der Institutio sanctimonialium ein Leben in Bescheidenheit und Demut mit Blick auf die Verheißung des ewigen Lebens, doch die folgenden Bestimmungen milderten die strenge Lebensführung.

Auch die übrige Versorgung wurde von der Institutio sanctimonialium vorgeschrieben. Zum Zeichen einer gemeinschaftlichen Lebensführung sollten alle Stiftsdamen einfache, schwarze Gewänder (nigrae vestes) ohne Luxus tragen. Einheitliche Gewänder, allerdings weiße Kleider (albis vestibus), sind für Frose nachzuweisen, und deshalb auch für Gernrode wahrscheinlich.

Das Widmungsblatt des Svanhild-Evangeliars zeigt zwei kniende Sanktimonialen vor der Gottesmutter Maria.

Svanhild-Evangeliar Manchester, John Rylands University Library, Lat. Ms. 110, fol. 17 r (Abbildung noch nicht freigegeben)

Durch die Inschrift sind sie als Svenhild Abba(tissa), die das Evangeliar ihrem Stift Essen Ende des 11. Jh. schenkte, und Brig(i)t(a) bezeichnet. Beide tragen ein fußlanges, gürtelloses Ärmelgewand. Ein weiß-grüner Schleier umhüllt den Kopf und fällt weit auf den Rücken herab. Fraglich ist, ob diese Tracht, so wie sie die Buchmalerei in ihrer Farbgebung festhält, auch wirklich der Kleidung im Stift entsprochen hat.

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