Herrschen und Richten

Die Vögte, Ministerialen und Vasallen

Die äußere Struktur des Stifts Gernrode

Die Grundherrschaft des Stifts Gernrode war organisiert wie eine weltliche Herrschaft. Es gab Vasallen, die vom Kloster Lehen hielten, und einen Kreis von direkt zum Kloster gehörigen Personen, der in den mittelalterlichen Urkunden familia genannt wird.

Die familia des hl. Cyriakus umfasste neben den direkt vom Stift abhängigen Bauern seit dem frühen 12. Jahrhundert auch die Amtleute, Ministerialen genannt. Die Ministerialen hatten große Teile des Grundbesitzes zu Lehen und waren dafür dem Stift zu Abgaben verpflichtet. Sie waren bis weit ins 14. Jahrhundert unfrei. Heiratete ein freier Niederadeliger eine Ministerialin, so folgten die Kinder ihrer Mutter in die Unfreiheit.

Die Äbtissin hielt sich Dienstleute, die im Stift die Hofämter bekleideten. Über ihre Aufgaben ist wenig bekannt. Diese Ämter wurden in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts erblich.

Mächtige Ministerialen des Stifts strebten nach den lukrativen Hofämtern: Die Herren von Frose und von Cochstedt waren Stiftsschenken, die Herren von Gernrode hatten das Amt des Truchsesses inne.

Den Töchtern der Ministerialen blieben die Pforten des Stifts Gernrode in der Regel verschlossen. Wollten sie ein geistliches Leben führen, so mussten sie in Frose eintreten.

Die Äbtissin durfte das Stift in rechtlichen Angelegenheiten nicht selbst nach außen vertreten. Zur Wahrung ihrer juristischen Interessen wählte die Äbtissin mit Zustimmung der Schwestern einen Vogt (advocatus). Er sprach Gericht über die zur familia des Klosters gehörigen Menschen: die Mägde und Knechte, Hörigen, Ministerialen und freien Bauern. Er vertrat

das Kloster in Rechtsfragen nach außen, schützte es vor Übergriffen von Adeligen, stellte Urkunden aus, nahm an der Äbtissinnenwahl teil und erhob Abgaben. Diese Aufgaben waren mit lukrativen Einnahmen verbunden. Daher waren Vogteiämter im Adel sehr begehrt. Seit dem 12. Jahrhundert behielten die Askanier, die Grafen von Ballenstedt, das Gernröder Vogteiamt in erblichem Besitz. Trotz wiederholter Versuche gelang es den Äbtissinnen von Gernrode nicht, die Gewalt über die Vogtei zurückzugewinnen.

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